Der Dokumentarfilm Wildes Deutschland - Der Chiemsee 2016 von Jan Michael Haft stellt Lebewesen vor, die am und im See leben, und zeigt, wie empfindlich der Kreislauf der Natur auf Störungen durch den Menschen reagiert.
Unter vielen wunderbaren Naturaufnahmen, wurden Larven gezeigt, die blau leuchten können. Der Film berichtet von einer Spezies, bei der die Larven von Mücken, genauer, von Pilzmücken Biolumineszenz zeigen.
Im Larvenstadium sind sie in alten Buchenwäldern zu finden, an der Unterseite von Buckelporlingen, einem ganzjährigen, weisslichen Pilz, mit breiten Hüten.
Uns war die Existenz dieser Mückenlarven bis dahin völlig unbekannt. Wenn sie aber am Chiemsee, in Deutschland vorkommen, dann gibt es sie bestimmt auch hier bei uns in der Schweiz.
Jedenfalls sind die Pilze, unter welchen sie leben, die Buckelporlinge, oder auch Buckeltrameten genannt in der Schweiz weit verbreitet und keine Seltenheit.
Die These, dass solche Pilzmücken auch bei uns heimisch sind, war der Beginn für diese Recherche.
Einmal mehr wollten wir solch ein Phänomen vor unserer Haustüre mit eigenen Augen sehen.
Pilzmücken, (Mycetophilidae) werden in diverse Familien unterteilt. Eine davon ist die Gattung der Keroplatus.
Dieser gattung werden 35 Keroplatus Spezies zugeordnet.
Uns interessieren die in Europa heimischen Arten, die als biolumineszent beschrieben werden.
- Keroplatus testaceus (Dalman, 1818)
- Keroplatus tipuloides (Bosc, 1792)
- Keroplatus reaumurii (Dufour, 1839)
Es gibt unzählig viele Mückenarten auf der Erde, und der Forschungsstand zu einzelnen Spezies ist sehr unterschiedlich. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Suche nach Informationen über eine einzelne Spezies.
In der Publikation Die Pilzmücken (Diptera, Sciaroidea excl. Sciaridae): unauffällig, aber weit verbreitet von Eberhard Plassmann wird die Pilzmücke Keroplatus testaceus erwähnt und und wie folgt beschrieben:
Die Larven zeigen Biolumineszenz, sie leben auf der Unterseite von Buckeltrameten (Trametes gibbosa) und ernähren sich von den Sporen der Pilze. Ihr Leuchten wird als wesentlich schwächer als das von fliegenden Leuchtkäfern oder deren Larven beschrieben.
„Neben den Larven leuchten auch die Puppen bis kurz vor dem Ausschlüpfen der Mücke, die eine für Pilzmücken beachtliche Größe von 12-15 mm erreicht.“
In der Publikation New Observations on the Biology of Keroplatus nipponicus
wird vor allem K.nipponcius behandelt, K.testaceus wird aber ebenfalls erwähnt und ihre Larven werden als biolumineszent beschrieben. Um die Larven von K.testaceus zu finden wird später Sommer und Herbst als geeignete Jahreszeit angegeben.
Verbreitung und Morphologie von K.testaceus
In der Publikation
Keroplatus tipuloides Bosc rediscovered in Finland
wird eine zweite, in Europa heimische Pilzmückenlarve als biolumineszent beschrieben.
Die Larven leben auf der Unterseite von Zunderschwämmen (Fomes fomentarius)
Likewise, the publication The Terrestrial Bioluminescent Animals of Japan
reports, that 5 species of the genus Keroplatus are able to produce faint light at the larval and pupal stages.
Among them are: K.testaceus (in Europe), K.tipuloides (formerly called Ceroplatus sesioides; in Europe) and K.reaumurii (in Europe) (Baccetti et al., 1987).
In the paper: Light-producing organs in Keroplatus tipuloides Bosc and Keroplatus reaumuri pentophthalmus "K.tipuloides K.reaumuri pentophthalmus and Cerotelion lineatus have been examined by electron microscopy and biochemical methods...
Larvae, pupae, and adults of K.tipuloides, K.reaumuri pentophthalmus, (and Cerotelion lineatus) were collected in the litoranean forests near Pisa during 1984 summertime.
Observations during the night in complete darkness, with observers eyes 1 hr dark-adapted, showed that the mature larva, pupa and young adult of K.tipuloides and K.reaumuri emit a feeble luminescence.
Verbreitung von K.tipuloides
Morphologie von K.tipuloides
Hier, eine Meldung von K.tipuloides aus der Nähe von Paris 15/07/2020
Die Mücke, die aus dem Kokon ausgeschlüpft ist, haben wir nach ihrem Tod in Alkohol eigelegt, um sie Bestimmen zu können. Es handelt sich hierbei um ein Weibchen der Gattung Keroplatus testaceus.
Bestimmung: Pierre-Yves Gloaguen (Naturalist) Frankreich.
Pilzmückenlarven auf Buckeltramete video 1 min 17 sec
Uetliberg ZH beim Eindunkeln (19:50Uhr) 2020-08-24
Wie sehen Buckeltrameten Pilze aus?
Hier eine Beschreibung: Eigenschaften und Erkennungsmerkmale
Occurrence: On tree stumps and wood logs lying around
Im Frühsommer 2022 entdeckten wir zum ersten mal Mückenlarven unter einem anderen Baumpilz, als wie bisher unter Buckeltrameten.
In der spärlich vorhandenen Literatur wird zuweilen erwähnt, dass an Zunderschwämmen Keroplatus tipuloides Mückenlarven gefunden wurden.
Könnte es sich bei unserem Fund um K. tipuloides Mückenlarven handeln?
Es stellte sich aber heraus, dass es sich bei unseren Pilzen gar nicht um Zunderschwämme handelte, wie zuerst angenommen, sondern um Rotrandige Baumschwämme.
(Zunderschwamm und Rotrandiger Baumschwamm sind leicht verwechselbar. Siehe dazu das Testverfahren zur Bestimmung weiter unten.)
Was für eine Mückenlarven Art lebt wohl unter Rotrandigen Baumschwämmen?
Eine Woche später entdeckten wir unterhalb des Astes mit den Pilzen weisse Kokons. Die Larven haben sich in Kokons eingesponnen und verwandelten sich in Mücken.
Bei diesen zwei Mücken, die aus den Kokons (Bilder oben) stammen, handelt es sich um ein Männchen und ein Weibchen der Gattung Keroplatus testaceus.
Bestimmung: Pierre-Yves Gloaguen (Naturalist) Frankreich.
Die eingangs erwähnten Publikationen (oben) erwecken den Eindruck, als könnten die einzelnen Spezies je einer Pilzart zugeordnet werden, die als spezifische Nahrungsquelle und Lebensraum dienen würde.
Es gibt diesbezüglich aber auch andere Beobachtungen. So wird zum Beispiel im Entomologist's monthly magazine S.61 berichtet, dass K.testaceus Mückenlarven an unterschiedlichen Porlingen/Schichtpilzen beobachtet wurden. Des weiteren wird angeführt: „K.testaceus is, however. evidently less specific.“ als die K.tipuloides Larven.
In der Publikation von Falk, S.J. & Chandler, P.J. 2005 werden für K.testaceus gar etliche andere Pilze als möglicher Host für die Larven erwähnt: „There are records from Fomes, Fomitopsis, Hapalopilus, Phellinus, Polyporus, Pycnoporus, Stereum, Serpula and Trametes species.“ S.57
Es ist also sehr gut möglich, dass sich die verschiedenen Mückenarten nicht anhand der Pilzart, auf der die Larven vorkommen, auseinander halten lassen. Sie können vermutlich von unterschiedlichen Pilzen leben.
Dieser Frage nach der Pilzbezogenheit wollten wir anhand einer Stichprobe nachgehen. Wir sammelten je zwei Kokons, einmal unter Buckeltrameten und einmal unter Rotrandigem Baumschwamm. (siehe Bildstrecken oben)
Aus den vier Kokons sind zwei Mücken ausgeschlüpft.
Zwei Kokons haben sich offensichtlich nicht vollständig ausgebildet. Wobei sich bei einem die Mücke korrekt entwickelte, sie sich aber nicht aus dem Kokon befreien konnte und noch darin verendete.
Wir konnten sie trotzdem für die Artbestimmung gebrauchen. Somit hatten wir insgesamt drei Mücken für die Artbestimmung zur Verfügung.
Alle drei Mücken wurden durch Pierre-Yves Gloaguen (Naturalist) Frankreich als Keroplatus testaceus identifiziert. Es handelte sich um zwei Männchen und ein Weibchen.
Obwohl eine der Larven von Buckeltrameten stammte und zwei von Rotrandigem Baumschwamm, alle gehörten der selben Spezies an.
Die Art des Pilzes war also in diesem Falle für Keroplatus testaceus Larven nicht relevant.
Zunderschwämme können relativ schnell mit anderen Porlingen verwechselt werden.
Wie lässt sich also der Zunderschwamm von anderen Porlingen/Schichtpilzen unterscheiden?
Von der Hutoberseite etwas Material abschaben und mit 20% Kaliumhydroxyd (KOH) vermischen, danach lassen sich folgende Unterschiede ablesen:
- Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) zeigt eine dunkel Rote Verfärbung. (Zweites Bild, Slide links)
- Der Rotrandige Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) zeigt keine Verfärbung. (Zweites Bild, Slide rechts)
- Beim Gemeinen Feuerschwamm (Phellinus igniarius) färbt sich das Hutfleisch schwarz.
Die Tests haben wir in Zusammenarbeit mit dem Pilzverein Zürich durchgeführt.
Mit bestem Dank für die freundliche Unterstützung und super Tips : )